Religiöse Besessenheit in der Religion

Besessenheit durch "Götter" (Gottheiten, meist Teufel und Dämonen!) ist ein Phänomen, das in vielen Religionen der Welt verbreitet ist. Am bekanntesten sind die südamerikanischen Trance-Religionen wie Voodoo, Candomble und Santeria; es ist aber z.B. auch in China, Indien, Tibet und Afrika verbreitet. Daneben spielt die rituelle Besessenheit in vielen magischen und magisch-religiösen Kulten der Neuzeit eine Rolle, wie Wicca und Chaosmagie.
Schriftliche Zeugnisse für religiöse Besessenheiten bei den Germanen sind rar, aber einige Texte können durchaus in diese Richtung interpretiert werden. Dies soll aber keine quellenkritische Auseinandersetzung sein: Fakt ist, dass Phänomene, die als Besessenheit angesprochen werden können existieren.

Ein Freund fragte mich neulich, woher man den wüsste, dass eine Gottheit da sei. Genau hier liegt natürlich der Knackpunkt. Ich kann es nicht sagen. Vielleicht weil man diese Gottheit erwartet, weil das Verhalten und Gebaren des Mediums genau das Gefühl vermittelt, dass diese spezielle Gottheit da ist. Eine Antwort auf die Frage scheint mir schwer möglich, da sie wieder an die Grundsatzfrage anknüpft: was passiert eigentlich bei einer Besessenheit?

Drei Erklärungsmodelle scheinen mir wichtig:

1) alles wird vom Unbewussten des Mediums, vielleicht in Zusammenarbeit mit dem Unbewussten der anderen anwesenden Personen hervorgebracht;
2) eine wirklich existierende Entität agiert durch das Medium; oder
3) beides mischt sich: eine Entität versucht durch ein Medium zu agieren, dessen Unbewusstes und das der Anwesenden färbt aber das Endergebnis ein.

Ich fand es sehr spannend, Besessenheiten zu beobachten (mitunter allerdings auch angsteinflössend), und gerade wenn man vorher mit Religionen zu tun hatte, denen es an einer gewissen 'spirituellen Action' fehlte (ich drücke dies bewusst so aus, weil dies ein Gefühl war, das ich so hatte), ist es einfach faszinierend, dass es sowas gibt.

Allerdings ist es heute anders bei mir: das Phänomen beunruhigt mich, da ich es nicht wirklich erklären kann, und deshalb möchte ich in keinster Weise mehr mit diesen Phänomen zu tun haben!

INDIEN: Teyyam:  In der Teyyam Aufführung, die eine ganze Nacht dauern kann, übernimmt die göttliche Energie – meistens ein Gott, aber manchmal auch ein Vorfahre, großartiger Held oder Schlangengeist (!) – vorübergehend Gewalt über die Körper der Tänzer und handelt in diesen. Die besondere Segensenergie des besitzenden Geistes wird durch den Körper des Tänzers an die betende Gemeinschaft weitergegeben, während die gesamte Menge von den hypnotisierenden Rhythmen der Trommeln und Oboen verzaubert wird. Die göttliche Verkörperung wird mit großer Pracht, Präzision und Glanz gefeiert. Die Kostüme, das Make-up und die Masken sind prunkvoll. Der Haarschmuck, der wichtigste Teil des Kostüms, kann bis zu sechs Metern Höhe betragen.

Durch die Kommunikation mit ihren Göttern, befriedigen die Keraler ihre irdischen und spirituellen Bedürfnisse. Teyyam kann ein kinderloses Paar mit Nachkommen segnen, einen Kranken heilen, eine gute Ernte sichern und störende Energien vertreiben. Das Ritual öffnet die Tür zu einem Bereich magischer Möglichkeiten: Übernatürliche Phänomene werden manchmal wahrgenommen. Der Tänzer könnte Immunität bezüglich des Feuers zeigen oder die Zuschauer, manchmal ein paar Hunderte oder viele Tausende, könnten ihn an zwei Orten gleichzeitig auftauchen sehen.

TIBET: Orakel sind Menschen, die im Zuge ekstatischer Besessenheit Gottheiten als Sprachrohr dienen. Die Orakel beziehen sich auf den tibetischen Buddhismus, weisen aber auch schamanische Elemente auf. Sie sind nicht nur Medien, sondern fungieren auch als politische Berater und Heiler. Letzteres stellt vor allem in abgelegenen Gegenden oft die einzige medizinische Versorgung dar, wobei ein gutes Orakel nicht ansteht, einem Hilfesuchenden die lange Reise ins nächste Spital anzuraten, wenn seine eigenen Kräfte für eine Heilung nicht ausreichen. Hier hat sich mit der Kulturrevolution einiges geändert: Davor wurde ein Orakel von der lokalen Bevölkerung nur dann als solches anerkannt, wenn es von einem Mönch bestätigt wurde. Heute gibt es vor allem in ländlichen Gebieten kaum noch Mönche, sodass der Status eines Orakels allein von seinen persönlichen Fähigkeiten abhängt. Gleichzeitig weisen die jüngeren Orakel keine so starke Beziehung mehr zum Buddhismus mit seinen strengen Ritualen und heiligen Texten auf und interpretieren sowohl die alten Erzählungen als auch ihre eigene Rolle wesentlich freier.